Neun junge Menschen halten sich aneinander und sind von hinten fotografiert
 

Liebe Leserinnen und Leser,

der Sommer ist vorüber, der Herbst hat Einzug gehalten. Nicht nur die politischen Diskussionen, auch die Arbeit des Demokratiezentrums Baden-Württemberg läuft auf Hochtouren. In dieser Ausgabe berichten wir über den wachsenden Antisemitismus in Deutschland, die Ergebnisse des Vielfaltsbarometers und die zunehmende Gewalt in Online-Communities. Außerdem stellen wir Ihnen neue Publikationen, Veranstaltungen und Projekte zu Demokratieförderung, Vielfalt und Extremismusprävention vor.

Mehr über unsere Arbeit finden Sie auf unserer Website

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Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen

Ihre Landeskoordinierungsstelle des Demokratiezentrums Baden-Württemberg

 

NEUES AUS DEM DEMOKRATIEZENTRUM

Landesdemokratiekonferenz ausgebucht 

Wir freuen uns auf die Landesdemokratiekonferenz am Mittwoch, 22. Oktober 2025, im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart. Das Thema Demokratie online Wie soziale Medien unsere Debatten verändern trifft offenbar einen Nerv, die Veranstaltung ist ausgebucht! Wir erwarten spannende Impulse, einen faktenreichen Austausch und intensive Gespräche.

 

DEMOKRATIEZENTRUM VOR ORT

16. Karlsruher Präventionstag

„Wenn nichts passiert, war’s erfolgreich!? – Die stille Macht der Prävention“ lautet der Titel des 16. Karlsruher Präventionstags. Die Veranstaltung beginnt am 14. Oktober 2025 um 9.30 Uhr im Tollhaus Karlsruhe. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Informationen finden Sie hier.


Hassrede und Desinformation

Wie begegnen Unternehmen Hassrede, Desinformation und demokratiefeindlichen Tendenzen in ihren Communitys? Steven Urry, Gründer der Agentur ALONDRA Social, spricht am 22. Oktober von 12.30 bis 14.00 Uhr in einer Online-Veranstaltung der Fachstelle Extremismusdistanzierung (FEX) über die Rolle eines professionellen Community Managements. Zur Anmeldung geht es hier.


Türkischer Rechtsextremismus   

Dr. Ismail Küpeli spricht am 29. Oktober von 12.30 bis 14.00 Uhr in einer Onlineveranstaltung der Fachstelle Extremismusdistanzierung (FEX) über den türkischen Rechtsextremismus in Deutschland. Er schildert die Geschichte, Ideologie, Akteure und Netzwerke der türkischen extremen Rechten hierzulande. Die Anmeldung ist hier möglich.

 


Fußball als Lernort

„Ronaldo mag keine Juden. Fußball als demokratiestärkender Lernort für Jugendliche und junge Erwachsene in der postnationalsozialistischen Gesellschaft der Vielen“ ist das Thema eines Online-Vortrags von David Berchem am 27. November, 12.30 bis 14.00 Uhr, bei der Fachstelle Extremismusdistanzierung (FEX). Anmeldung und weitere Informationen gibt es hier.

 

 

STUDIE: AKZEPTANZ VON VIELFALT NIMMT AB

Nur noch 45 Prozent der Deutschen halten Vielfalt für einen Gewinn. Das zeigt das Vielfaltsbarometer 2025 der Robert Bosch Stiftung. 2019 sahen noch 63 Prozent der Befragten Vielfalt als Bereicherung. Gleichzeitig stieg der Anteil derjenigen, die Vielfalt als Bedrohung empfinden, um 17 Prozent.

Am stabilsten bleibt die Akzeptanz bei Behinderung, die mit 82 Punkten weiterhin die höchsten Werte erreicht. Auch die Einstellung zum Lebensalter bleibt nahezu unverändert (71 Punkte). Beim Thema Geschlecht zeigt sich ein positiver Trend: Die Zustimmung steigt um fünf Punkte auf 74. Dagegen verliert die Dimension sexuelle Orientierung acht Punkte und fällt auf 69 – ein spürbarer Rückgang.

Besonders kritisch bewerten die Befragten die ethnische Herkunft: Hier sinkt die Zustimmung bundesweit um bis zu 17 Punkte – der stärkste Rückgang aller untersuchten Bereiche. Auch die Akzeptanz von Religion nimmt stark ab. Mit nur 34 Punkten im Durchschnitt zeigt sich eine weit verbreitete Ablehnung, die vor allem Muslime trifft.

Das Merkmal sozioökonomische Schwäche schneidet ebenfalls schlecht ab. Die Offenheit gegenüber benachteiligten Gruppen nimmt ab – ein alarmierendes Signal für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Globale Krisen wie Pandemie, Energie- und Sicherheitsprobleme sowie wirtschaftliche Unsicherheiten belasten laut den Autorinnen der Studie die Offenheit der Bevölkerung gegenüber Vielfalt. Trotz dieser besorgniserregenden Ergebnisse nennt das Vielfaltsbarometer 2025 Ansätze, um Akzeptanz zu fördern: Begegnungen im Alltag, Dialogformate und gemeinsames Lernen können helfen, Vorurteile abzubauen.

Das Vielfaltsbarometer ist eine repräsentative Befragung zum gesellschaftlichen Zusammenleben in Deutschland. Es misst Einstellungen zu sieben Dimensionen von Vielfalt – darunter Lebensalter, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, sozioökonomische Schwäche, ethnische Herkunft und Religion – und fasst die Ergebnisse in einem Gesamtindex zusammen. Für die Ausgabe 2025 wurden im Mai 4.761 deutschsprachige Personen ab 16 Jahren online befragt, darunter 1.074 mit Migrationshintergrund. Das Vielfaltsbarometer ist hier abrufbar.

 

 

ANTISEMITISMUS: JUDEN FÜHLEN SICH NICHT SICHER

Zwei Jahre nach dem Terrorangriff auf Israel und der Eskalation des Nahost-Konflikts berichten Jüdinnen und Juden in Deutschland von massiven Anfeindungen, Diskriminierungen und Ausgrenzung. Dies zeigt der Zwischenbericht der „Studie zu den Auswirkungen des terroristischen Anschlags am 7. Oktober 2023 auf jüdische und israelische Communities in Deutschland“, den die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin vorgestellt hat. Laut den Autorinnen ist es die erste bundesweite Untersuchung dieser Art.

In Einzel- und Gruppenbefragungen zeigte sich zudem ein wachsender Vertrauensverlust jüdischer Menschen in ihr Umfeld, erklärte die Antidiskriminierungsstelle. Einige Befragte verbergen inzwischen ihre jüdische Identität, um sich vor Angriffen und Diskriminierung zu schützen.

Der Hamas-Angriff und seine Folgen belasten auch die psychische Gesundheit der Betroffenen schwer. Viele berichten von Depressionen, Schlafstörungen, Angstzuständen und Panikattacken. Sie erleben doppelte Gewalt, heißt es: durch die Tat vom 7. Oktober 2023 und durch die Relativierung und Umdeutung dieser Gewalt im gesellschaftlichen Umfeld.

Der Zwischenbericht ist auf der Website der Antidiskriminierungsstelle des Bundes abrufbar. Die finalen Ergebnisse der Untersuchung werden im Frühjahr 2026 veröffentlicht.

Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) sieht zudem eine Zunahme von Protesten mit antisemitischen Inhalten. Für den aktuellen Bericht hat Rias 2.225 Versammlungen vom 7. Oktober 2023 bis Ende 2024 ausgewertet, bei denen antisemitische Inhalte dokumentiert wurden. Mit dem 7. Oktober stieg die Zahl der Versammlungen mit antisemitischen Inhalten demnach von rechnerisch knapp einer pro Tag auf fünf. Deutlich häufiger als zuvor, nämlich bei 89 Prozent der Versammlungen, sei israelbezogener Antisemitismus dokumentiert worden, oft in Verbindung mit anderen Formen von Judenfeindlichkeit.

 

YAD VASHEM AUSSENSTELLE IN DEUTSCHLAND

Die weltweit bekannte Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem plant, ein Bildungszentrum in Deutschland zu eröffnen. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen stehen als mögliche Standorte zur Auswahl. Es wäre der erste Ableger der Gedenkstätte außerhalb Israels. Vorgesehen ist kein Museum, sondern eine Bildungsstätte. Ziel ist es, die Perspektive der Opfer ins Land der Täter zu bringen. „Junge Menschen wissen zu wenig über den Holocaust, wie aktuelle Studien zeigen“, sagte Bildungsministerin Karin Prien nach einem Treffen mit Yad Vashem-Vorsitzendem Dani Dayan. „Rund 40 Prozent der Deutschen wissen nicht, dass die Nationalsozialisten sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordeten. Deshalb ist es wichtig, dass Yad Vashem seine pädagogische Expertise erstmals in einem Bildungszentrum außerhalb Israels einbringt – und zwar in Deutschland. Holocaust-Bildung bedeutet, Empathie zu lehren.“

 

ÜBER DEN TELLERRAND

Warnung vor Gewalt in Online-Communities  

Die Task Force gegen Hass und Hetze warnt vor Online-Communities, die Minderjährige zu Selbstverletzung und Straftaten verleiten. Immer häufiger gerieten Kinder und Jugendliche ins Visier von Online-Gruppen, die gezielt Vertrauen erschleichen, um junge Menschen in einen gefährlichen Kreislauf aus Drohungen, Erpressung und Selbstverletzungen zu verwickeln.

Unter dem Begriff „Com“ (kurz für Community) verbergen sich gewaltverherrlichende Online-Gruppen, die über soziale Netzwerke, Messenger-Dienste oder Online-Spiele Kontakt zu Kindern und Jugendlichen suchen. Sie nehmen vor allem 8- bis 17-Jährige ins Visier, besonders solche, die psychische Probleme haben oder gesellschaftlichen Minderheiten angehören.

Die Täter – oft selbst noch jung – erschleichen das Vertrauen ihrer Opfer, um sie schrittweise zu manipulieren, zu erniedrigen und zu kontrollieren. Mit Drohungen, Erpressung und psychischem Druck zwingen sie die Betroffenen, sich selbst zu verletzen, Suizid zu begehen, die Namen der Gruppen oder Täter in die Haut zu ritzen, erniedrigende oder sexuelle Handlungen auszuführen, Straftaten wie Tierquälerei, Sachbeschädigung oder Körperverletzung zu begehen oder belastendes Material zu erstellen, das die Täter später zur Erpressung nutzen.

Weitere Informationen sind hier zu finden.

 

ZUM SEHEN, ZUM HÖREN, ZUM LESEN

ZUM SEHEN: ARD-Dokumentation „Shut up Bitch“

Wie verfällt ein junger Mensch den frauenfeindlichen Ideologien im Netz? Die ARD-Dokumentation „Shut up Bitch“ beleuchtet ein Geflecht aus YouTubern, Influencern und TikTok-Kanälen, die mit aggressiver Männlichkeitsrhetorik Millionen junger Männer ansprechen. Der Film begleitet zwei junge Menschen, deren Leben und Ansichten sich durch diese Inhalte grundlegend gewandelt haben, und zeigt, wie dynamisch diese Netzwerke vorgehen. Ihr Erfolg beruht nicht nur auf Algorithmen, die solche Inhalte verbreiten, sondern auch auf wirtschaftlichen Interessen und gezielter politischer Strategie. Die Dokumentation deckt auf, wie frauenfeindliche Narrative bewusst in Wahlkämpfen eingesetzt werden – und warum sie eine wachsende Bedrohung für Gleichberechtigung und Demokratie sind.

In der ARD-Mediathek


ZUM LESEN: Michael Moos: „Und nichts mehr wurde, wie es war…“

Michael Moos wurde 1947 in Tel Aviv geboren und erinnert sich an eine glückliche Kindheit im jungen Staat Israel. 1953 zog er mit seinen Eltern nach Ulm. Mit sechs Jahren verstand er kaum, warum sie diesen Schritt wagten. Nun hat Moos ein Buch geschrieben – über seine Kindheit, seine Familie, die Rückkehr nach Deutschland und das Leben im Land der Täter. „Und nichts mehr wurde, wie es war“ nennt sich diese außergewöhnliche Familienchronik. Darin schildert der Freiburger Rechtsanwalt, Strafverteidiger und langjährige Gemeinderat den Weg seiner Familie, die über Jahrhunderte als Viehhändler und Hausierer im Schwäbischen lebte – bis die Nazis kamen und seine Eltern nach Palästina flohen. Moos taucht tief in die Geschichte und die Nachkriegszeit ein, sucht nach Antworten, spricht offen über generationsübergreifende Traumata und seine lange Suche nach Identität. Er erzählt, was ihm schließlich Kraft für ein erfülltes Leben gab.

Michael Moos: „Und nichts mehr wurde, wie es war…“ Die Geschichte der schwäbisch-jüdischen Familie Moos und mein Leben in Tel Aviv, Ulm und Freiburg. Schriftenreihe des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg Ulm (DZOK), Band 9

ZUM HÖREN:   „Extreme Zeiten“ – Der Podcast des Demokratiezentrums Hessen

Was bedeutet Antisemitismus oder Antiziganismus heute? Wie begegnet man rechtsextremen Tendenzen in der Schule oder rassistischen Sprüchen am Stammtisch? Was tun, wenn das eigene Kind in die rechte Szene abdriftet? Wie spricht man mit Menschen, die an Verschwörungsmythen glauben? Solche Fragen – und viele weitere – stehen im Mittelpunkt von „Extreme Zeiten! “, dem Podcast des Demokratiezentrums Hessen. Mit Gästen aus Wissenschaft und Praxis beleuchtet er Ansätze und Analysen zur Bekämpfung von Demokratiefeindlichkeit.

Podcast „Extreme Zeiten“

 

 

VIER FRAGEN AN ...

… das Innovationsprojekt Roof

In unserer Rubrik „Vier Fragen an …“ stellen Träger und Partner des Demokratiezentrums Baden-Württemberg ihre Arbeit vor. In dieser Ausgabe: Das Innovationsprojekt „Roof – Alles unter einem Dach“ zur Extremismusprävention im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ Träger ist der Kreisjugendring Esslingen.

DZBW: Weshalb braucht es das Projekt „„Roof – Alles unter einem Dach!“?

Roof: Das Projekt „Roof – Alles unter einem Dach“ verfolgt einen vernetzten Ansatz, um Demokratiebildung und Extremismusprävention neu zu denken. Hierbei werden vorhandene Strukturen genutzt, ausgebaut und um neue Impulse ergänzt. Prävention wird so ganzheitlicher gedacht.

DZBW: An welche Zielgruppe richtet sich das Innovationsprojekt?

Roof: Die Zielgruppe des Projektes sind Kinder und Jugendliche ab Klassenstufe 3, pädagogisches Fach- und Lehrpersonal sowie Eltern, Erziehungsberechtigte und weitere Bezugspersonen von Jugendlichen.

DZBW: Wie sieht die Arbeit ganz konkret aus?

Roof: Kinder und Jugendliche werden in Schulworkshops bezüglich Demokratiefeindlichkeit in der realen und digitalen Welt sensibilisiert. Durch aufsuchende Arbeit und sportliche Aktivitäten werden alternative Freizeitmöglichkeiten geboten. Als Beratungs- und Informationszentrum bieten wir pädagogischen Fach- und Lehrkräften sowie Eltern und Erziehungsberechtigten Rat bei möglichen Radikalisierungsprozessen.

DZBW: Arbeiten Sie den Fachstellen im Demokratiezentrum Baden-Württemberg zusammen?

Roof: Das Projekt befindet sich derzeit noch im Aufbau, kooperiert aber bereits mit der Fachstelle Extremismusdistanzierung (FEX) des Demokratiezentrums Baden-Württemberg.

Projekt „Roof“, Kreisjugendring Esslingen e. V., Bahnhofstraße 19, 73240 Wendlingen