… das Innovationsprojekt „Kommunen für alle? – Rassismuskritik in kommunalen Verwaltungen“
In unserer Rubrik „Vier Fragen an …“ stellen Träger und Partner des Demokratiezentrums Baden-Württemberg ihre Arbeit vor. In dieser Ausgabe: das Innovationsprojekt „Kommunen für alle? – Rassismuskritik in kommunalen Verwaltungen“ im Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Träger ist die Europäische Städtekoalition gegen Rassismus e. V. (ECCAR) in Heidelberg.
DZBW: Frau Seven, Sie leiten das Innovationsprojekt „Kommunen für alle? – Rassismuskritik in kommunalen Verwaltungen“. Was ist das Ziel dieses Projekts?
Seven: Kommunalverwaltungen prägen den Alltag vieler Bürgerinnen und Bürger, in dem sie als demokratische Institution, Regelungsinstanz, Arbeitgeberin, Dienstleisterin und auch als Vertragspartnerin zentrale Funktionen für die Demokratie vor Ort ausüben. Im Kontakt mit kommunalen Verwaltungen entscheidet sich oft zuerst, ob staatliches Handeln als gerecht, zugänglich und vertrauenswürdig erlebt wird. Die öffentliche Verwaltung steht also – wie wir als Gesellschaft insgesamt – vor der Aufgabe, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und der demographischen Realität unserer Gesellschaft anzupassen. Wir möchten mit dem Projekt Kommunen dabei unterstützen, Verwaltungsstrukturen in Hinblick auf die Einwanderungsgesellschaft zu modernisieren und Verwaltungshandeln hinsichtlich Vielfaltskompetenz mit einem Schwerpunkt auf Rassismus zu professionalisieren. So können Kommunen der Verpflichtung gleichberechtigte Dienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger zu erbringen noch besser gerecht werden.
DZBW: Wie zeigt sich Rassismus in kommunalen Verwaltungen?
Seven: Mit unserem Projekt richten wir den Blick auf jene Formen von Rassismus, die weniger offensichtlich sind – also nicht in offenen oder bewussten Diskriminierungen einzelner Personen bestehen, sondern in den Strukturen, Routinen und Abläufen, die den Verwaltungsalltag prägen. Diese scheinbar neutralen Regelungen können unbeabsichtigt dazu führen, dass bestimmte Gruppen – etwa Menschen mit Migrationsgeschichte – benachteiligt werden. Das widerspricht dem staatlichen Diskriminierungsverbot, das öffentlichen Institutionen untersagt, Ungleichbehandlungen selbst zu reproduzieren. Das ist ein zentraler Ausgangspunkt für unser Projekt.
Zudem zeigt sich in vielen Verwaltungen eine deutliche Repräsentationslücke: Menschen mit Migrationsgeschichte sind in der Belegschaft deutlich unterrepräsentiert. Diese Lücke wirkt sich auf die Legitimation und das Vertrauen in die Verwaltung aus und weist zugleich auf strukturelle Barrieren beim Zugang hin.
Hinzu kommt, dass es bislang kaum standardisierte Formate der Professionalisierung oder Weiterbildung rund um Rassismuskritik mit Blick auf Verwaltungshandeln in der Einwanderungsgesellschaft gibt. Mit „Kommunen für alle?“ schließen wir hier eine zentrale Lücke: Wir entwickeln und erproben innovative Formate, um Verwaltungspersonal zu sensibilisieren und zukunftsfähig aufzustellen – mit dem Ziel, rassismuskritisch die Stadt von morgen zu gestalten. Dabei zeigt sich auch, dass es vielerorts noch kein gemeinsames Verständnis darüber gibt, wo und wie sich Rassismus im Verwaltungshandeln konkret äußert. Genau hier wollen wir ansetzen und gemeinsam mit unseren Modellkommunen praxisnahe Handlungsempfehlungen für einen rassismuskritischen Umgang in kommunalen Strukturen erarbeiten.
DZBW: Wie groß ist der Bedarf?
Seven: Der Bedarf ist groß – und er betrifft letztlich die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie. Studien wie der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) zeigen: Menschen, die Rassismus erfahren, haben weniger Vertrauen in staatliche Institutionen. Wenn aber ganze Bevölkerungsgruppen das Vertrauen in Behörden verlieren, gefährdet das langfristig den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Legitimation staatlichen Handelns. Verwaltung ist schließlich das Gesicht des Staates vor Ort – sie entscheidet maßgeblich darüber, ob staatliches Handeln als gerecht und zugänglich erlebt wird.
Dass der Bedarf groß ist, zeigt sich auch an der großen Zahl der Kommunen, die sich für unser Projekt beworben haben. Das verdeutlicht, wie wichtig es ist, Verwaltungen bundesweit mit konkreten Instrumenten auszustatten, um Rassismus in den eigenen Strukturen zu erkennen und nachhaltig abzubauen. Die über 60 deutschen ECCAR-Kommunen gehen hier bereits voran und zeigen, dass rassismuskritische Verwaltungsarbeit ein zentraler Bestandteil moderner, zukunftsfähiger Kommunen ist.
Kurz gesagt: Der Bedarf ist nicht nur wissenschaftlich belegt, sondern wird in der kommunalen Praxis täglich spürbar – und genau deshalb braucht es Projekte wie unseres.
DZBW: Suchen Sie noch Pilotkommunen, die bei diesem Projekt mitmachen?
Seven: Der Bewerbungsprozess konnte vergangene Woche abgeschlossen werden. Unser Ziel war es, eine möglichst vielfältige Zusammensetzung der Modellkommunen zu erreichen – hinsichtlich Größe, geografischer Lage und Verwaltungsstruktur. Das ist uns gelungen dank der sehr großen Nachfrage und damit verbunden hohen Anzahl an Bewerbungen. Das hat uns sehr gefreut. Umso schöner, dass wir mit 16 Modellkommunen aus ganz Deutschland das Projekt „Kommunen für alle? – Rassismuskritik in kommunalen Verwaltungen“ die kommenden drei Jahre gestalten werden und damit einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung einer gerechteren und zukunftsfähigen Verwaltungspraxis leisten werden.
Ansprechpartnerin:
Jasemin Seven
Projektleitung „Kommunen für alle? – Rassismuskritik in kommunalen Verwaltungen“
Europäische Städtekoalition gegen Rassismus e. V. (ECCAR e. V.)
Amt für Chancengleichheit, Stadt Heidelberg
Eppelheimer Straße 13, 69115 Heidelberg, Deutschland
Telefon: +49 6221 5815549
E-Mail: office@eccar.info
Webseite: eccar.info